Corona als philosophisches Existenzebenen-Problem

Corona in der Existenzebenen-Analyse
Existenzebenen in der Trichter-Übersicht

8/2/21 +++ Im PPL-Philosophie-Club haben wir am Wochenende in einer Videokonferenz Corona als philosophisches Problem thematisiert. Die Rede von "Existenzebenen" erwies sich dabei als hilfreich, um Ordnung in eine unübersichtliche, nur allzu lebensnahe Denk-Lage zu bringen.

Ein langes Jahr schon leben wir jetzt mit einem Virus, das unser Fühl- und Denk-Leben ebenso stark beeinflusst wie unser gesellschaftliches Zusammenleben. Und nur mit sehr viel Glück erreichen wir im laufenden zweiten Corona-Jahr durch Impfung eine ausreichende "Herdenimmunität", um mehr oder weniger aus der Situation der Eingeschlossenen im "Lock-Down" heraustreten zu können. Höchste Zeit also, um auch im kleinen PPL-Philosophie-Club einmal tiefer ins Thema hineinzusprechen, was am vergangenen Wochenende per Videokonferenz zumindest in Ansätzen möglich war. Hier ein paar Stichworte und Thesen aus der Diskussion.

1. Das Leben der Einzelnen definiert sich in Corona-Zeiten mehr denn je aus der Arbeit als strukturierender Lebensaufgabe. Die Gedanken und Gefühle kreisen mehr um diesen Teil der Existenzebene 5 (Ökonomie) als zuvor. Dabei steht für große Teile der deutschen Arbeitsbevölkerung weniger der reine Geld-Verdienst im Vordergrund, vielmehr wird die Sinn-Ebene von Arbeit wichtiger und bewusster, ebenso das Zusammen-Tun auf den Existenzebenen 3 und 4 (Familie/Freunde, Gesellschaft/Kultur), das sonst nur allzu selbstverständlich genommen wird.

2. Das leiblich-psychische "Selbstmanagement" auf den Ebenen 1 und 2 (Leib, Individuum) ist einerseits mehr denn je gefährdet, andererseits als Daueraufgabe anerkannt. Für einige Gruppen von Menschen mag es von Vorteil sein, nur noch medial in Kontakt zu sein und sich ansonsten auf vielen Medien-Programm-Kanälen ablenken und treiben zu lassen. Für andere läuft dieses Treiben allzu leer, sodass die Sinn-Herstellungsaufgabe noch drängender wird.

3. Der täglich vielfältig neu medial konstruierte und gestützte Zusammenhalt der Corona-Gesellschaft (Ebene 4), die gemeinsam das Gesundheitssystem "nicht-überlastet", ist erstaunlich stabil, auch wenn in Umfragen die Lockdown-Zustimmungswerte zuletzt etwas schwächer werden. Hier scheint etwas "systemisch" zu funktionieren, dies ebenso auf der Ebene des direkten politischen Systemgeschäftes ("Geld hilft immer", jetzt sogar als unerschöpflich verfügbar behauptet). Allerdings bleibt stets zu bedenken, dass der Mensch (anthropologisch, Ebene 7) als Leib- und Sozial-Wesen wohl kaum auf "immer und ewig" auf seine ursprünglichen Bedürfnisse verzichten kann, wie immer moralisch-ethisch ihm das auch vor Augen steht. Der Konflikt zwischen den Existenzebenen 1/2/7 und 4 bleibt virulent.

4. Auch die so genannte "Digitalisierung", jetzt greifbarer denn je in Videokonferenzen überall für jederman, setzt die existenzielle Logik des Seins nicht dauerhaft außer Kraft. Jedenfalls mögen nachdenkliche Gruppen von nicht mehr ganz jungen Menschen im Philosophie-Club nicht daran glauben, dass sich zum Beispiel ein real-pädagogischer Eros im "Distanzunterricht" einholen lässt (von faktischen Problemen totaler Strukturüberlastung von Lehrern, Schülern, Eltern und Technik mal gar nicht zu reden). Auch dass "KI" (mit oder ohne "Singularität") zentrale Probleme des Seins löst, bleibt eher zweifelhaft, auch wenn es praktische Anwendungen (also ein sinnvolles Roboter-Design) natürlich gibt und weiter geben wird. Erkenntnistheoretisch (Ebene 8) und ontologisch (Ebene 9) wird hier auch sehr schnell deutlich, wie schon lange vor Corona kuriose Neu-Religionen ewiger "Nerds" Welten geschaffen haben, die zwar ihren persönlichen Reichtum, nicht aber die Entwicklung reifer Persönlichkeiten in der gesellschaftlichen Kultur befördert haben. In den letzten Jahren gibt es einen selbstlaufenden Trend zur "Googlontology". Große Gruppen von Menschen (auch im Wirtschafts- und Politik-Leben) gehen wie selbstverständlich davon aus, dass sie bei Goolge und Co. "die Sachen selbst" schnell finden und damit "erledigen" können. In Wahrheit (sic) ist Goolge natürlich eine Marketing-Maschine, die auf der Wiederholung des Ewig-Gleichen beruht und prinzipiell ungeeignet ist, Wissen zu produzieren oder auch nur auffindbar zu machen. Es sei denn, man glaubt, dass das Ewig-Wiederholte das Gewusste oder zu Wissende ist, aber das bleibt den gänzlich unphilosophischen Geistern vorbehalten ...

Weitere Denk-Aspekte aus diesem Kreis folgen an dieser Stelle bei nächster Gelegenheit.

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