Web-Fundstück der Woche: Philosophieren auf Werbenglisch?
9/8/13 +++ Philosophie ist ja ziemlich in Mode in manchen Großstadt-Szenen. Einige (ehemalige?) Werberinnen meinen sogar, mit englischen Wörtern eine moderne Lebensschule bieten zu können. Aber was soll das bloß?
Sprechen Sie werbenglisch? Nein? Schade, dann ist die "Philosophie" auf www.modernlifeschool.de wohl nichts für Sie. Dabei möchten die Inhaberinnen und ihre mehr oder weniger szenebekannten Mitstreiter in Sachen moderner "Lebenskunst"-Bröckchen-Philosophie Ihnen doch so gern sagen, wie Sie gut und glücklich und auch sonst ein moderner Selbstgestaltungsmensch werden können.
Die Mittel dazu sind allerdings eher wenig originell, auch wenn die englischen Angebotstitel etwas anderes suggerieren sollen. Hinter "Classes", "Mornings", "Weekends" und "Gastrosophy" verbergen sich - soweit auf der nicht so sehr informativen Website ersichtlich - wohl eher schlichte, mehr oder weniger lange Vorträge mit mehr oder weniger Diskussionsmöglichkeiten - und natürlich etwas Kulinarik und viel "Spaß" (beides immer wichtig bei unseren modernen Genussmenschen). Geredet wird offenbar immer über irgendwas mit "Sinn", Genaueres erfährt man nicht - dafür hält einem aber schon auf der Startseite ein echter Philosophen-Kerl mit Dreitagebart seine ("philosophische") Zeitschrift mit dem Aufmacher "Was ist guter Sex?" vors Auge. Ach, je...
Da frage ich mich doch: Ist das die Vorstellung der Hamburger Philosophie-Szene von relevantem Philosophieren für real existierende Menschen? Klingt für mich alles ziemlich nach der üblichen, modischen Häppchen-Verkaufe-Show für Möchtegern-Individualisten, tut mir leid. Das Szene-Magazin "Hohe Luft" (das mit dem "Sex-Aufmacher" im Bild des Chefredakteurs), das eine Art Leitblatt der modernen Praxisphilosophie sein will und doch zumeist eher kleinteilige Banalitäten zu nur allzu aktuellen Mediendiskursen bietet (also eher "heiße Luft"...), erscheint übrigens im "Inspiring-Network"-Verlag, der mit der Zeitschrift "Emotion" (sic) sein Geld zu verdienen versucht (nachdem Gruner und Jahr das Blatt nicht mehr tragen konnte/wollte). Das ist laut Eigenwerbung das "Special-Women-Magazin für kluge, lebensfrohe, konsumfreudige und kultivierte Frauen, die ihr Leben bewusst gestalten". Klar, dass die auch "philosophieren" wollen... - Nun, ja, wenn der allgemeine Schein etwas konkretes Geld in die Kasse bringt, kann man ja als Anbieter auch zufrieden sein.
Meine KKL-Klienten sind allerdings mit allgemeinen Lebenskunst-Phrasen und etwas "Name-dropping-Philosophie" nicht zufrieden. Hier geht es stets um ernsthafte Auseinandersetzung mit dem ernst genommenen EIGENEN Denken (und durchaus auch Fühlen, weniger allerdings um platte Impuls-"Emotionen"). Denn das ist relevant.